Jeder hat so seinen Fetisch. Der eine mag Stiefel. Der andere Tatoos. Ich steh halt auf alles was schnell ist. Autos, Actionfilme, motivierter Bildaufbau bei Racinggames. Deswegen wertschätze ich Rennspiele mit hoher Bildwiederholrate. 60 Frames or Die!
Schade dass Project CARS dieses hehre Ziel auf der PlayStation 4 verfehlt. Es wird deshalb nie zu meinen persönlichen Alltime-Favoriten zählen. Ich steh einfach drauf, wenn mich ein Racinggame an den Haaren packt und ins Gameplay reinreißt. Das klappt halt am besten mit 60 Frames. Und stabil müssen sie sein. Ohne Zuckeleien und Stottereien. Framerate-Einbrüche sind des Teufels. Leider leidet Project CARS genau darunter. Eine Fahrt an der beschaulichen Azure Coast entlang, gemeinsam mit 31 Computergegnern, und mir war klar: Hm. Da wollte jemand mehr in die PS4 reinentwickeln als die Konsole verdauen kann. Schade.
Als ich so vor mich hintestete für T-Online Spiele, da trieb mich Project CARS tatsächlich bis an die Grenzen. Nicht nur weil´s so irre viel zu entdecken gibt, oder weil man den Schwierigkeitsgrad irre hochschrauben kann. Nein. Normalerweise habe ich null Probleme damit, die Framerate eines Spiels frei Auge zu bestimmen. 15, 20 oder 60 Hertz, ich sehe so etwas. Bei Project CARS irritierte mich die Tatsache, dass der Pressetext ausdrücklich von 60 Hertz spricht. Bin mir aber sicher, das Game läuft auf PS4 mit 30 Frames. Habe sogar Forza Motorsport 5 auf der Xbox One – das gemeinhin als Full Framerate akzeptiert wird – direkt daneben laufen lassen. Sieht deutlich geschmeidiger aus. Die Screenshot-Funktion der PS4 bestätigt meinen Eindruck, dass irgendwas nicht ganz rund läuft. Die Bildergebnisse sind nicht klar und pixelscharf gezeichnet wie sonst immer, sondern wirken wie Geisterbilder. So als trickse die Project-CARS-Engine herum, um ein nicht optimales Bild-Aufbau-Tempo zu kaschieren. Motion Blur mal anders. Sei´s drum: Ich habe den Hersteller Bandai Namco und den Entwickler Slightly Mad am 7. Mai 2015 vormittags per Email dazu befragt. Eine Antwort steht aus und wird nachgereicht, sobald ich sie erhalte.
Aber man muss die Kirche schon im Dorf lassen. Wer nicht gerade Framerate-Extremist ist wie ich, dem kann mein Gefasel ziemlich egal sein. Objektiv betrachtet ist Project CARS nämlich ganz, ganz toll. Was an die Schöpfung des Londoner Slightly-Mad-Teams so erlebenswert ist, das fasse ich in meinem Test für T-Online Spiele knapp zusammen. Knapp deshalb, weil mir mein Auftraggeber ein ziemlich strenges Limit auferlegt, die Textlänge betreffend. Ich breche regelmäßig mit diesem Limit. Im Fall von Project CARS mehr denn je.
Trotzdem reichte der zur Verfügung stehende Platz bei weitem nicht, um all die faszinierenden Facetten dieses Motorsport-Festivals gebührend zu ehren. Sei´s drum. Es folgt eine extrem komprimierte Version des Originaltext. Wer den kompletten Vers lesen möchte, der möge bitte klicken.
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Besitzer einer PlayStation 4 dürften sich am meisten über Project CARS freuen: endlich eine begeisternde und nahezu makellose Rennsimulation für ihre Konsole! PC- und Xbox-One-Piloten hatten zwar bisher schon die Wahl zwischen mehren tollen Vollgaspartys – aber auch sie werden die Produktion des Londoner Slightly-Mad-Teams unwiderstehlich finden. Die Symbiose aus Fahrspaß, 80 Traumautos und 100 Rennstrecken ist ziemlich rund geworden.
Es begann im Oktober 2011. Da stellte der Spielhersteller Slightly Mad aus London einen Aufruf zur Kollekte ins Internet. Das Versprechen an die Allgemeinheit: Wer die Entstehung von Project CARS sponsert, investiert in die Entstehung einer reinrassigen Rennsimulation ohne Wenn und Aber. Über 3,75 Millionen Euro brachte die Finanzierung per Crowdfunding, unterstützt wurde sie von fast 100.000 Fans. Angetrieben von überzeugender Technik und den besten Lizenzen der Automobilbranche ist das Ergebnis namens Project CARS jetzt startbereit.
Das Gameplay bewegt sich im Windschatten ernsthafter Simulationen wie Gran Turismo und Forza Motorsport. Project CARS stellt Zeitenjagd und Positionskämpfe auf realitätsnahen Abbildungen von 30 Schauplätzen nach. Die Namen dürften Motorsportlern vertraut sein: Nordschleife, Hockenheimring, Oschersleben, Mona, Houlton Park, Zolder, Dubai Motodrom, Road America, Laguna Seca, Le Mans, Spa, Mount Panorama und so weiter und so fort: das Who-is-who der Rennstrecken. Einigen Schauplätze tragen keine lizenzierten Namen, dafür imitieren sie wundervolle Landschaften und Kulissen: Azure Coast stellt eine durch Monaco und entlang der Côte d´Azur nach, California Highway einen Trip am Pazifik entlang. Viele Pisten sind in Teilstücken oder Varianten befahrbar. Das ergibt unterm Strich die Zahl von über 100 Rennstrecken.
Die Fahrzeugpalette? Auch ziemlich überzeugend. Project CARS versammelt Autos aus den Kategorien GT, Tourenwagen, LMP, Formel- und Kartsport sowie Serienbau. Über 80 unterschiedliche Typen treffen aufeinander, vom schnittigen Straßensportler Ford Focus RS über begehrenswerte Modelle von RUF-Porsche bis zu Traumautos vom Kaliber McLaren P1. Selbst bei näherem Hinsehen fallen einem kaum Mängel an der Detaillierung auf. Plaketten, Auspuffsysteme, Aufhängungsteile und sogar die Cockpits sind alle originalgetreu nachgebaut. Bei der Fahrt kann man Federn und Aufhängungsteile arbeiten sehen. Irre.
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Ästhetisches beiseite, versteht sich Project CARS auf spannende Positionskämpfe. Das Computergegner kämpfen fast wie Menschen aus Fleisch und Blut. Sie wählen eine sinnvolle Linie und lassen sich in Bremszonen vor Kurven nicht einfach austricksen. Auf der belgischen Rennstrecke Spa Seite an Seite mit 300 Sachen auf die Blanchimont-Kurve zujagen? Solche Situationen sind eher die Regel als die Ausnahme. Denn, besonders toll: Das Können der Computergegner lässt sich per Schieberegler in elf Stufen justieren. Da findet jedes Tierchen sein Pläsierchen.
Das Handling der Fahrzeuge begeistert mit Reaktionsschnelligkeit, Präzision und Berechenbarkeit. Bei Fahrten am Limit fällt auf, dass das alles kein Spaziergang sein möchte. Zwar sind – von einer Rückspulfunktion abgesehen – alle mittlerweile genretypischen Fahrhilfen vorhanden. Sie greifen Einsteigern durch Bremsautomatik und ähnliche Werkzeuge wirkungsvoll unter die Arme. Als Genreneuling muss man sich allerdings dennoch bereitwillig mit den vielfältigen Einstellmöglichkeiten auseinander setzen. Dass man Lichteffekte und Regentropfen an- und abstellen und viele andere Grafikeffekte steuern kann, das mag für PC-Gamer gewohnt sein – aber Besitzer einer PS4 oder Xbox One werden sich erstmal die Augen reiben.
Wertung:
Was wir mögen
Das Spiel arbeitet mit einer Vielzahl von Lenkrädern der Marken Fanatec, Thrustmaster, Logitech und Mad Catz zusammen. PC-Besitzer können ihr System mit maximal drei 4k-Bildschirmen verbinden und Project CARS in einer Auflösung von 12K-Surround genießen. Die Videobrillen Oculus Rift und Project Morpheus werden laut Hersteller ebenfalls unterstützt. Eine Liste aller Devices ist hier zu finden.
Was wir nicht mögen
Lange Ladepausen zwischen den Rennen stören den Spielfluss. Tutorialguide und Boxenfunker sprechen nur englisch, deutsch untertitelt. Die digitale Anleitung liegt nur englischsprachig vor. Das Fahrzeugtuning beschränkt sich auf wenige Einstellarbeiten am Fahrwerk. Farbwahl und Exterieurtuning sind nicht vorgesehen. Der virtuelle Fahrzeug-Almanach enthält einige Falschinformationen.
Fazit
Project CARS ist ein Fest für Simulationsliebhaber und Motorsportler. Das Spiel vereint sensible Steuerung, packende Positionskämpfe, faszinierende Rennautos und eine breit gefächerte Auswahl der schönsten Rennstrecken aus aller Welt. Einzig ernstzunehmender Kritikpunkt ist die instabile Bildwiederholrate auf PS4, Xbox One und PC unterer und mittlerer Leistungsklassen. Wer sich bereitwillig mit den Optionen auseinandersetzt, wird aber immer eine Einstellung finden, die ein rasantes Spielerlebnis garantiert. Start frei!
Sehr gut