Ich möchte eine Lanze für “Assassin´s Creed Unity” brechen. So viele Hater, Wutgamer und Brandredner schreiben das Spiel tot. Sie verderben mir und anderen den Spaß daran.
Wir schreiben heute den 13. November. Kein besonderer Tag eigentlich, außer: Seit heute kann man sich “Assassin´s Creed Unity” nach Hause holen und Abenteuer im spätmittelalterlichen bis frühaufgeklärten Frankreich erleben. Manche wollen daran nicht teilhaben. Sie missbrauchen das öffentliche Interesse am Release zur Zurschaustellung ihres eigenen Ego-Lichtleins. Ich meine damit die kleinkarierten Lynchschreiber. Spätestens seit diesem ominösen Gamergate wissen wir: Manchen Presse- und Blog-Autoren genügt der fadenscheinigste Anlass, schon nageln sie ein ganzes Thema ans Kreuz und deren Fürsprecher gleich dazu. Ihre negative Stimmungsmache findet sich mehr und mehr in der “normalen” Medienberichterstattung wieder.
Was finde ich in der – vorwiegend angloamerikanischen – Berichterstattung nicht alles an Mängellisten. “Assassin´s Creed Unity” sei von vorne bis hinten fade, kritisiert der Kotakuberichterstatter und beklagt sich zudem über das Fehlen von Zeitsprüngen in die Moderne. Auf Gamespot lese ich, es fehle dem Paris-Szenario an Größe und Spektakel. Forbes bemängelt die Testmusterpolitik von Ubisoft; die integrierten Kauftransaktionen; dass manche Extratruhen nur dem zugänglich seien, der das Spiel mit der Companion App auf dem iPhone koppelt. Der Autor strengt sich ganz schön an, um alles doof zu finden.
Als Journalist weiß ich: Angloamerikanische Berichterstatter suhlen sich mitunter gerne in sensationslüsternen Texten nach dem Motto “Only bad news are good news”. Halt so ungefähr wie Bildreporter hierzulande. Ich weiß, dass man das nicht alles glauben muss, dass es da vorwiegend um Klicks geht. Tatsache ist aber nun einmal, dass solche Berichterstattung vielen Gamern die Vorfreude auf “Assassin´s Creed Unity” raubt. Ich finde das schade. Wer glaubt was da momentan geschrieben wird: Der verpasst möglicherweise sein neues Lieblingsspiel. So gut ist “Assassin´s Creed Unity”. Man muss es nur mögen wollen.
Schon klar, die technischen Probleme – unstabile Framerate, zu lange Ladepausen – lassen sich nicht wegdiskutieren. Es ist außerdem offensichtlich, dass das Paris-Szenario nicht jedem gut gefällt. Aber viele andere Kritikpunkte sind mangelhaft recherchiert und resultieren nun in unüberlegtem und unfairem Bashing. Das Opfer ist “Assassin´s Creed Unity”: ein Projekt für das sich mehrere hundert Kreative über lange Monate den Allerwertesten aufgerissen haben. Würde mir wünschen dass so mancher Wutautor mehr Achtung vor dieser Leistung zeigt und zumindest ein paar respektvolle Minuten an Recherche investiert. Wer das tut – oder wer vielleicht sogar mal länger selbst spielt! – lernt zum Beispiel:
- Die Companion App gibt´s kostenlos auf iTunes und Google Play für alle iOS- und Android-Devices. Keineswegs nur für iPhone.
- Schatzkisten, die sich nur per Companion App öffnen lassen, sind von außen gekennzeichnet. Sie sind blau. Niemand zwingt dich zur Öffnung. Es sind nur Boni drin, keine kriegsentscheidende Anti-Bossgegner-Waffen.
- Überall in der Umgebung finden sich hunderte (!) weitere Kisten und Extras und Tralala. Befriedige ich meinen Sammeltrieb eben dort.
- Wer Paris als klein bezeichnet, muss mit Siebenmeilenstiefeln durchgerannt sein wie Gulliver durch Lilliput. Nein, Paris ist riesig groß. Es gibt nicht nur einen Stadtteil, sondern neun.
- Jedes Arrondissement ist geprägt durch eigenen Baustil und eigene Stimmung in den Straßen. Die Atmosphäre verändert sich je nach Tageszeit und Wetter. Dieses Paris ist wie neun Städte in einer.
- Vieles spielt sich diesmal im Gebäudeinneren und im Untergrund ab, wo sich die visuelle Stimmung erneut deutlich verändert.
- Zwischendurch zieht “Assassin´s Creed Unity” noch ganz andere Asse aus dem Ärmel. Ich will darüber nichts schreiben, Spielverderber sind ja weniger gut angesehen. Mir ist halt nur schleierhaft wie jemand angesichts dieser kurzweilig und temporeich inszenierten Überraschungen das Fehlen der faden Zukunftsetappen aus anderen Assassin´s Creed-Games beklagen kann.
- Sofortkauf-Transaktionen in einem Vollpreis-Game sind madig, brauchen wir nicht drüber diskutieren. Aber warum fußt der Forbesautor darauf seine Berichterstattung? Ich fände das nachvollziehbar, wenn das Game anhand eines entsprechend ausbalancierten Schwierigkeitsgrades Extra-Ausgaben quasi erzwingen würde. Dem ist aber nicht so. Arno wächst flott zum durchtrainierten Meuchelmörder heran, auch ohne zusätzlichen Geldeinsatz. Man muss sich eben mit dem Skilltree befassen. Ist halt kein Egoshooter.
Mir tun die Designer von “Assassin´s Creed Unity” leid. Sie müssen momentan so viel unfaires Bashing über sich ergehen lassen. Was werden sie daraus lernen? Möglicherweise werden sie denken, ihr Einsatz für die vielen Neuerungen von Assassin´s Creed Unity habe sich nicht gelohnt. Das stimmt aber nicht. Der Einsatz hat sich gelohnt. Ich liebe “Assassin´s Creed Unity” mit seinen kurzweiligen Missionen und seinem Helden und seiner wundervollen Erscheinung, habe bisher kein anderes Game auf meiner PS4 so gerne erlebt.
P.S.: Der Weg zu meinem – ziemlich total neutralen – Testbericht für T-Online Spiele führt über diesen Link, zur Kurzfassung geht´s hier.
P.P.S.: Ich spiele die PS4-Fassung und beziehe mich ausdrücklich darauf.